Vogel des Jahres
Der Wiedehopf
Streuobstwiesen fördern seine Rückkehr
Mit über 5.000 Pfianzen-und Tierarten sind Streuobstwiesen einer der artenreichsten Lebensräume in Europa. Die Vogelwelt nimmt dabei eine herausragende Rolle ein. Für zahlreiche von der Ausrottung bedrohte Arten wie Wendehals, Steinkauz, Rotkopfwürger, Grau- und Grünspecht oder Wiedehopf sind Streuobstwiesen wertvolle Zufluchtsstätten und Überlebensräume.
Baden-Württemberg ist das Bundesland mit den bedeutendsten Streuobstbeständen, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Der Verein der Vogel-und Naturfreunde Bad Mingolsheim hat sich schon seit seiner Vereinsgründung vor über 50 Jahren sehr engagiert für den Erhalt der Streuobstwiesen in der Gemeinde eingesetzt, hat mehrere Hektar aufgekauft sowie weitere Flächen gepachtet, die nach ökologischen Grundsätzen gepflegt werden.
Der Verein in Bad Schönborn- Mingolsheim war auch Gründungsmitglied der „Streuobstinitiative im Stadt- und Landkreis Karlsruhe e.V.".
Wiedehopf (Upupa epops)
Der Wiedehopf stand durch unterschiedlichste Ursachen in ganz Deutschland am Rande der Ausrottung und ist im Rote-Liste-Zentrum des Bundesamtes für Naturschutz als „gefährdet" aufgeführt. Trotzdem zählt der Wiedehopf zu den bekanntesten heimischen Vogelarten. Dies hat er nicht zuletzt auch dem Kinderlied „Die Vogelhochzeit" zu verdanken, in dem er der Braut den Blumentopf schenkt. Durch seine schmetterlingsartige Flugweise, seine kontrastreiche Gefiederfärbung, den langen gebogenen Schnabel, seine bei Erregung fächerförmig aufgerichtete Federhaube sowie seinen weithin hörbaren Ruf, der sich wie „hup-hup-hup" anhört, ist er eine sehr auffällige Erscheinung. Doch in der Nähe seiner Brutstätte lebt er sehr heimlich und lässt sich hier kaum beobachten. Mit seinem gebogenen, dünnen Schnabel sucht der Wiedehopf durch Stochern im Boden - gerne auf kurzrasigen Flächen - nach Engerlingen, Maulwurfsgrillen, Würmern und Larven, aber auch in der Fläche nach Käfern und Insekten. Bevorzugt nutzt er bei der Futterbeschaffung magere Wiesen, Weinbergsgelände und naturbelassene Feldwege. Bei uns in Bad Schönborn wurde seit über 60 Jahren keine Brut mehr festgestellt. Dies hat sich im Jahr 2020 erfreulicherweise geändert. Dem Verein der Vogel- und Naturfreunde Bad Mingolsheim wurden schon im zeitigen Frühjahr Wiedehopf-Sichtungen gemeldet. Die erste Nachricht dazu erreichte uns bereits Mitte April von VDW-Mitglied Robert Braunecker (Verband Deutscher Waldvogelpfleger und Vogelschützer e.V.), er hatte den rufenden Wiedehopf auf den Wiesengebieten sowie Pferde-und Schafweideflächen bei Kronau gehört, beobachtet und sogar auf einem Gehweg am Ortsrand fotografiert. Spontan wurde von Mitgliedern des VDW auf der Pferdekoppel einer befreundeten Tierliebhaberin ein Wiedehopf- Brutkasten angebracht. Weitere Beobachtungen erfolgten danach mehrmals in den Weinbergsgebieten von Bad Schönborn. Außerdem meldeten mehrere Bewohner Beobachtungen rund um den Wasserturm sowie auf den Wiesenflächen und Brachgeländen beim Bahnhof.
Eine Zeit lang hatte es dann den Anschein, dass die Wiedehopfe wieder verschwunden seien. Erst Mitte Mai bekam der Vereinsvorsitzende den Anruf eines Anwohners, dass er in seinem südlich exponierten Garten in Bad Mingolsheim einen Wiedehopf bei der Futtersuche eindeckt hatte. Die Brutstätte konnte bald lokalisiert werden. Einen alten, ausgehöhlten Obstbaum hatten sich die seltenen Gäste in Bad Schönborn zur Brutstätte und Jungenaufzucht ausgewählt. Um die gefährdete Vogelart nicht zu stören, wurden aus großer Entfernung und aus dem Auto als "Tarnzelt" zahlreiche Nachweisfotos angefertigt. Dabei hatte der Fotograf das große Glück, einen Jungvogel bei seinem Jungfernflug fotografisch festhalten zu können. Kaum hatte er die Nisthöhle verlassen, tauchte der nächste Jungvogel auf und betrachtete argwöhnisch die vor ihm liegende, noch fremde Umgebung. Doch der nächste Anflug des Altvogels mit Futter im Schnabel ließ ihn nach der Futterübergabe zurück in seine Kinderstube verschwinden. Wie viele Jungvögel es genau waren, konnte nicht eindeutig festgestellt werden. In der Regel besteht das Gelege eines Wiedehopfs aus 5-7 Eiern, es können aber auch bis zu 9 sein. Nach dem Ausfliegen wurden dem Verein zahlreiche weitere Beobachtungen gemeldet. Am Ortsrand wurden sogar gleich drei Wiedehopfe auf dem Dach eines Wohnhauses beobachtet. Es ist besonders bemerkenswert und erfreulich, dass die Bevölkerung in Bad Schönborn sich offensichtlich sehr interessiert an der imposanten Erscheinung des Wiedehopfs gezeigt hat.
Dies bezeugen die über 20 Meldungen, die bei unserem Verein eingegangen sind. Ein 85-jähriger Vogelfreund brachte bei seinem Anruf seine Freude darüber zum Ausdruck, dass es eines seiner schönsten Naturerlebnisse war, als er, außerhalb der Vogelausstellung „ORNIKA" und jetzt sogar in seinem Garten, den ersten lebenden Wiedehopf seines Lebens gesehen hatte.Der Besitzerin des aktuellen Brutbaumes hat der Verein der Vogel- und Naturfreunde ein entsprechendes Dankschreiben mit Bild und einer Urkunde überreicht.
Sie sicherte den Erhalt der alten Obstbaumreihe zu. Wir freuen uns über die erfolgreiche Brut und Aufzucht der Wiedehopfe in den Streuobstwiesen von Bad Schönborn und hoffen auf weitere Bruten in den kommenden Jahren. Da der Wiedehopf auch gerne Nisthilfen nutzt, ist für das Jahr 2021 eine größere Nistkastenaktion des Vereins geplant, zusammen mit einer örtlichen Schule sowie dem VDW um die bei der Bevölkerung offensichtlich auffallende und populäre Vogelart bei der weiteren Ansiedelung zu unterstützen.
Es hat sich bei der Wiederbesiedlung deutlich gezeigt, wie wichtig und ökologisch wertvoll Pflege und Erhalt der Streuobstwiesen und vor allem der Bestand der alten Obstbäume sind. Sie sind nicht nur existentieller Lebensraum für seltene Vogel- und Insektenarten, sondern auch landschaftsprägend.
Herbert Geitner
Vogel-und Naturfreunde Bad Mingolsheim