Ornithologische Studienreise vom 23. bis 28. Mai 2017 in die Camargue
Reisebericht und Bilder von Manfred Lohrmann
Das Ziel unserer diesjährigen Studienreise war die Camargue(C) in Südfrankreich. Die Reise fand allgemein so großes Interesse, dass einigen VDW-Mitgliedern aus Kapazitätsgründen leider abgesagt werden musste. Für manche der 44 Teilnehmer war dies nicht die erste Reise in dieses herrliche Fleckchen Erde. Auch unser Landesvorsitzender Herbert Geitner war schon einige Male mit seiner Ehegattin Evi dort. Nichts lag deshalb näher, dass Herbert mit unserer Geschäftsführerin Helga Thösen die Reise organisierte und selbst auch die örtliche Reiseführung übernahm.
Die C ist eine ca. 1500 km2 große Schwemmlandebene in der Provence im Süden Frankreichs. Die Rhone mit zwei Flussarmen bildet das Mündungsdelta. Nach Süden hin ist die Landschaft durch zahlreiche Lagunen und kleinen Halbinseln bzw. Inseln gegliedert. Teilweise ist die C mit Brackwasser geflutet und somit von Pflanzen bestimmt, die mit diesem Wasser zurechtkommen, wie z.B. Schilf und Tamarisken. Große Teile des Landes werden auch landwirtschaftlich genutzt: Reis-Anbau, Obstplantagen und Weideflächen. Die unterschiedlichen Lebensräume werden von den für die C charakteristischen weißen Pferden und schwarzen Stieren beweidet. Unzählige Flamingos, Reiher und Stelzvögel halten sich ebenfalls dort auf. Interessante Landschaften und Ausflugsziele sind auch das nahe gelegene Gebirge und eine Halbwüste im Osten der C. Im Süden wird in Salinen mit Hilfe der Verdunstungsbecken wertvolles Meersalz gewonnen. Die C gehört fast vollständig zum Gemeindegebiet von Arles, wodurch die Stadt zur flächenmäßig größten Gemeinde Frankreichs geworden ist. Neben Naturparks beherbergt die C auch bekannte kulturelle Sehenswürdigkeiten wie z.B. die Festungsstadt Aigues Mortes und den berühmten Wallfahrtsort Saintes-Maries-de-la-Mer im Süden.
Anreise Dienstag, 23.5.
Pünktlich um 6 Uhr starteten wir im komfortablen Reisebus in Bad Schönborn in Richtung Süden. Wir hatten ideales Reisewetter, alle Teilnehmer waren in guter Stimmung und freuten sich schon auf das vielversprechende Unternehmen. Getränke waren an Bord; selbst ein kleines „zweites Frühstück“ hatten Evi Geitner und Helga Thösen für uns mitgebracht.
Über Freiburg und Mulhouse (F) führte die Strecke zunächst nach Avignon, wo wir eine längere Pause einlegten und dabei eine der parallel geführten Residenzen der zwei im 17. Jahrhundert „regierenden“ Päpste bestaunten. Nach einem kleinen Spaziergang ging es weiter in Richtung Arles, wobei wir jetzt Nebenstraßen befuhren und dabei schon die ersten der vielen interessanten Eindrücke über das Land gewannen. Rotmilane, Schwarzmilane und Braunkehlchen waren öfters zu sehen. Auf der weiteren Fahrt entdeckten wir nahe der Straße eine Bienenfresser-Kolonie, die nicht wie sonst üblich, ihre Bruthöhlen in Steilwände gruben sondern in die eines trockenen Grabens. Diese erste außergewöhnliche Entdeckung versprach bereits schon Vieles !
Gegen 18 Uhr erreichten wir Arles, wo wir im zentrumsnahen Hotel „Arles Plaza“ unsere Zimmer bezogen. Nach einem köstlichen Abendessen im Hotel unternahmen wir im Stadtzentrum noch einen Abendspaziergang, bei dem uns bei Dämmerlicht und Straßenbeleuchtung viele Fledermäuse umschwärmten und Haus-Geckos zu sehen waren.
Mittwoch, 24.5.
Nach reichhaltigem Frühstück fuhren wir heute morgen in Richtung Saintes-Maries-de-la-Mer. Auf der Fahrt dorthin besuchten wir den an der Strecke liegenden „Parc Ornithologique du Pont de Gau“. Bei einem Rundgang durch den ca. 60 Hektar großen Park konnten wir zahlreiche Vögel der C in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten. Das Besondere an diesem Park ist, dass es keine Zäune oder Volieren gibt. Die Tiere werden hier angefüttert und bleiben deshalb standorttreu. Sie zeigen sich dem Menschen gegenüber wenig scheu, weshalb sie auch ein ideales Porträt abgeben. Viele Flamingos, verschiedene Reiherarten, Enten und andere Wasservögel waren zu sehen. Entlang des ausgeschilderten Rundweges am Waldrand zogen Stieglitz, Weißstorch, Sperling und Gelbspötter ihre Jungen groß.
Gegen Mittag fuhr wir weiter nach SMDLM, um dort das „europäische Zigeunerfest“ zu besuchen. Romas und Sinti aus ganz Europa treffen sich hier jährlich, um ihre Schutzpatronin, die „Schwarze Sara“, in einer Prozession zu ehren. Die ganze Stadt erlebt während dieser Wallfahrtstage ein farbenreiches Spektakel mit Musik, Tanzvorführungen, Marktständen und traditionellen Pferdewagen.Auf der Rückfahrt über Nebenstraßen konnten wir bei Zwischenhalts unter anderem wieder Flamingo, Fluss-Seeschwalbe, Kormoran, Kuckuck, Möwe, Löffler, See-und Sandregenpfeifer, Rotmilan, Sichler, Tamariskensänger, Austernfischer und Wiedehopf beobachten.
Donnerstag, 25.5.
Heute morgen fuhren wir südostwärts in Richtung Port St. Lous du Rhone. Schon von fern sahen wir die Salzberge der größten Saline der C (Saline de Giraud). Hier wird das berühmte und teure Meersalz gewonnen. Am Rande der Saline entdeckten wir See- und Sandregenpfeifer, Brillengrasmücke, Braun- und Schwarzkehlchen sowie verschiedene Möwenarten.
Nach dem Picknick fuhren wir entlang des Etang des Vaccares, eines großen Marschlandes, inmitten des Regionalparks der C. Das meist mit Tamarisken bewachsene Gebiet ist ein idealer Beobachtungsraum für Flamingos, verschiedene Reiherarten, Löffler, Seeschwalben sowie einige Enten- und Gänse-Arten. Die weißen Pferde und die schwarzen Stiere der C waren überall vertreten. Auch Bienenfresser, Blauracke, Brachpieper, Dorngrasmücke, Feldlerche, Goldammer, Haubenlerche, Heckenbraunelle, Kiebitz, Kuhreiher, Löffler, Nachtigall, Purpurreiher, Schwarzstorch, Seidenreiher, Stelzenläufer und Wiedehopf wurden gesehen. Auf einer Pferde-Ranch legten wir eine Kaffee-Pause ein und drehten mit einer Mini-Eisenbahn noch eine Runde durch das Gelände, bevor es weiter Richtung Arles ging.
Freitag, 26.5.
Der heutige Ausflug führte uns zu einer der berühmtesten Sehenswürdigkeiten in Südfrankreich:
Les Baux. Diese vielbesuchte Ruinenstadt mit einem Chateau liegt auf einem Felsvorsprung der Alpillen, östlich von Arles. Kilometerweit fuhren wir durch Platanen-Alleen. Die Hohlräume dieser Bäume werden von allerlei Vogelarten als Bruthöhlen benützt wie z.B. der Zwergohr-Eule. Von Les Baux aus hat man einen herrlichen Blick auf die malerische Felsenlandschaft und die grünen Ebenen. Beheimatet sind hier Alpensegler, Felsenschwalbe und Felsentaube. Die Alpillen sind Lebensraum von Schmutzgeier, Habichtsadler, Weißbart- und Provencegrasmücke. Von einem VDW-Mitglied, das gerade seinen Urlaub in dieser Gegend verbrachte, erfuhren wir, wo ein Blaumerlen-Paar sein Revier hatte. Aus größerer Entfernung gelang es mir, diese scheuen und seltenen Vögel zu fotografieren, als sich momentan keine anderen Personen in der Nähe aufhielten.
Nach dem Mittagspicknick fuhren wir in südlicher Richtung in ein Teilstück der Crau. Diese Schottersteppe ist karg, ausgedörrt und trotzdem voller Leben. Sie wird fast ausschließlich zur Schaf- und Ziegenbeweidung genützt. Außer Reptilien (Smaragd- und Perleidechse, Schlangen) und vielen Insektenarten ist die Crau letztes Rückzugsgebiet von Zwergtrappe, Triel, Mittelmeersteinschmätzer, Blauracke, Kalanderlerche, Rothuhn, Mittelmeer-Raubwürger. Leider bekamen wir keinen dieser seltenen und sehr scheuen Vögel zu sehen. In den bebuschten Randgebieten waren einige andere zu beobachten: Bienenfresser, Häherkuckuck, Braunkehlchen, Buchfink, Gelbspötter, Hänfling, Provencegrasmücke, Rötelfalke, Rotmilan, Steinschmätzer und Weißbartgrasmücke.
Samstag, 27.5.
Heute Vormittag besuchten wir einen der schönsten Wochenmärkte der Provence in der Altstadt von Arles. Diese historische Altstadt mit zahlreichen antiken Bauwerken ist als Weltkulturerbe der UNESCO eingetragen. Die mediterranen Gässchen, die herrlichen Blumen vor jeder Haustüre, der Duft der Wochenmarkt-Spezialitäten und der frisch zubereiteten Speisen ergaben eine herrliche Komposition für die Sinne. Von Austern bis lebenden Ziegen gab es auf dem Markt alles zu kaufen.
Nach einer kurzen Mittagspause fuhren wir vom Hotel aus in westlicher Richtung nach Saint Gilles. Die Nebenstraßen führten uns durch unterschiedliche Landschaften mit Reisfeldern, Marschland, Salzsteppen und Viehweiden. In diesen Gebieten mit Tamarisken-Büschen und Laubbäumen lebt eine vielfältige Vogelwelt. Bei einer Wanderung waren Bienenfresser, Graureiher, Mäusebussard, Türkentaube, Turmfalke, Weißstorch, Wiedehopf und Hausrotschwanz zu sehen. Bei einem spontanen Halt während der Rückfahrt konnten wir wieder Graureiher, Kleiber und Wiedehopf sichten. Am Ende der Reise begegnete uns noch ein Pärchen der selten gewordenen Turteltaube.
Heimreise So., 28.5.
Leider waren die schönen Tage schon wieder gezählt und nach einem guten Frühstück ging es um 8 Uhr in Richtung Norden. Im Bus besprachen wir noch mit Peter Meloni unser Exkursionsheft: 97 Vogelarten, viele Insekten, mehrere Fledermausarten und einige Hausgeckos wurden erfasst. Mit einigen kleineren Pausen erreichten wir auf der Fahrt über Avignon, Lyon, Dijon und Mulhouse am späten Nachmittag die deutsche Grenze. 25 Km davor mussten wir jedoch wegen eines „Reifenplatzers“ noch ca. 1,5 Stunden Reparaturzeit in Kauf nehmen. Gesund kamen wir gegen 23 Uhr wieder in Bad Schönborn an, nachdem einige Reiseteilnehmer unterwegs in Heimatnähe ausgestiegen waren.
Zusammenfassung/Vorplanung
Unsere diesjährige Studienreise war wieder sehr erlebnisreich und hat unsere Erwartungen weit übertroffen. Die Tagesfahrten von unserer Unterkunft aus in die Zielgebiete führte meist über Seitenstraßen, streckenweise durch schattenspendende Platanen-Alleen. An geeigneten Stellen legten wir oft spontane Halts für Beobachtungen ein, sodass es uns nie langweilig wurde. Ebenes Gelände mit Reisfeldern, Rinderweiden, Obstkulturen mit Wasserkanälen und viele Tamarisken prägten die Landschaft; ideale Entwicklungsmöglichkeiten für die verschiedensten Kleintiere als Futter für die Großen. Im Süden der C zeigten aufgetürmte Salzberge schon von weitem das nahe Mittelmeer an.
Fast überall waren Dohlen, Sperlinge, Türkentauben, Milane und oft auch Bienenfresser anzutreffen. Natürlich waren auch die charakteristischen Tiere der C, weiße Pferde, schwarze Stiere und viele rosa Flamingos bei jeder Tour zu sehen. Das Wetter zeigte sich uns von seiner besten Seite; es war angenehm warm, in manchen Gegenden bei klarem Sonnenschein schon heiß, wobei in Meeresnähe immer eine leichte Brise für Abkühlung sorgte. Die Unterbringung im Hotel war hervorragend und die warme Abendverpflegung einfach köstlich ! Auch das Frühstücksbuffet war sehr gut. Nach dem Abendessen saßen wir meist noch in geselliger Runde bei einem Gläschen Wein und angeregten Gesprächen beisammen. Bei den Fahrten in die Zielgebiete konnten wir uns in Supermärkten mit dem Nötigen eindecken.
Ein herzlicher Dank von uns allen geht an unseren Landesverbandvorsitzenden Baden-Württemberg Herbert Geitner für die hervorragende Gesamt-Organisation und die sachkundige Führung vor Ort, wobei er seine langjährigen Erfahrungen über die C einbringen konnte. Auch an die Damen Helga Thösen und Evi Geitner ein herzliches Dankeschön für die Betreuung während der gesamten Reise (einschließlich Picknick) und an alle, die zum Gelingen der Reise beigetragen haben sowie an unseren Busfahrer Branko, der uns sicher gefahren hat und im Bus stets verschiedene Getränke anbieten konnte.
Die Studienreise 2018 ist an den Neusiedler See und nach Ungarn geplant. Auf ein baldiges Wiedersehen bei unserer Reise-Nachlese, spätestens bei der nächsten Studienreise, die bestimmt wieder viel Interessantes bieten wird.
Manfred Lohrmann